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Neue Therapiemöglichkeiten bei Autismus setzen an Darmstörungen an
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Neue Therapiemöglichkeiten bei Autismus setzen an Darmstörungen an

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Die herausragende Bedeutung der Darmflora für die Entwicklung von Krankheiten, die über den Verdauungstrakt hinausgehen, rückt immer mehr in die Öffentlichkeit.

Was bedeutet „Darmflora“?

Beim Menschen wiegt der Darminhalt durchschnittlich 2 kg, davon sind 50 % Bakterien. Dies entspricht zahlenmäßig 100.000 Milliarden Bakterien, die mehreren hundert verschiedenen Arten angehören. Die Anzahl der Bakterien im menschlichen Körper ist zehn Mal höher als die der Zellen.

Welche Rolle spielen die Bakterien?

Man unterscheidet verschiedene große funktionelle Gruppen, die an den Schnittstellen mit den Lebensmitteln, der Umwelt und den menschlichen Zellen agieren, insbesondere hinsichtlich des Beitrags zur Zersetzung der Nahrungsbestandteile. Die Bakterien sind vor allem im Dickdarm angesiedelt.


Manche Bakterien zersetzen beispielsweise die Fasern oder beteiligen sich an der Gärung und tragen so zu den Energiequellen für den Wirt bei. Andere Bakterien schützen gegen pathogene Bakterien, wieder andere stimulieren die Erneuerung der Darmwand, der Schleimhäute und unserer natürlichen Immunsysteme. Sie haben also eine günstige Wirkung auf die Flora, den Darm und den gesamten Organismus.

Wann und wie bildet sich die Darmflora, und wie entwickelt sie sich

Nach dem heutigen Wissensstand entwickelt sich die Darmflora in den ersten Lebensmonaten und -jahren und stabilisiert sich um das dritte Lebensjahr herum. Danach ist sie über die Jahre hinweg bemerkenswert stabil. Selbst wenn sie großem Stress (z.B. einer Behandlung mit Antibiotika) ausgesetzt war, ist das ursprüngliche Gleichgewicht nach ein bis zwei Monaten wiederhergestellt. Dagegen führt eine starke und beständige Behandlung zu einer nachhaltigen bzw. endgültigen Veränderung, wenn nicht zu einer langfristigen Beeinträchtigung der den Darm besiedelnden Mikroorganismen.

Amerikanische Forscher haben Testpersonen aus Nordamerika, Afrika und Südamerika verglichen und bei den Nordamerikanern eine geringere Mikrobenvielfalt festgestellt, was auf die Verabreichung von Antibiotika zurückzuführen sein könnte. Ein achtzehnjähriger Amerikaner wurde im Schnitt bereits 18 Mal mit Antibiotika behandelt. Die durch die Mutter übertragenen Spuren sind noch nach mehreren Generationen nachweisbar.

In der Tat spielt die Mutter bei der Bildung der Darmflora eine große Rolle. Beim Neugeborenen findet man Stammzellen der Mutter aus deren Darm- und Scheidenflora. Grob vereinfacht kann man sagen, dass dieses Erbe die Darmbeschaffenheit des Erwachsenen teilweise mitbestimmt.


In den 1980er Jahren wurde die Bedeutung der Muttermilch umfassend untersucht. Dank der großen Fortschritte in der Zusammensetzung der Babymilch sind die Unterschiede heute geringer. Dennoch scheint die Muttermilch Überträger von bisher noch nicht identifizierten Signalen zu sein. Blut und Milch der Mutter enthalten Signale bakterieller Übertragung, die zur Herausbildung des kindlichen Immunsystems dienen könnten.


Während des größten Teils des Lebens ist die Darmflora dann zwar stabil, aber im hohen Alter scheint es Abweichungen zu geben. Allerdings spielt dabei wohl auch die Auswirkung einer unzuträglichen Ernährungsweise eine Rolle.

Welchen Einfluss haben diese Bakterien auf unsere Gesundheit im Allgemeinen?

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten die Infektionskrankheiten durch die Antibiotika eingedämmt werden. Gleichzeitig breiteten sich aber Allergien, Immunkrankheiten, Stoffwechselstörungen und Autoimmunerkrankungen aus.

Daraufhin wurde ein Zusammenhang mit der Darmflora vermutet. Seit 1990 erforscht das INRA chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Bei der Crohn-Krankheit wurde eine Abweichung der Darmflora mit nicht oder unzureichend vorhandenen Bakterien festgestellt. Bei mehreren Immunkrankheiten besteht ein Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Darmflora-Zusammensetzung und der Einnistung chronischer Krankheiten.

Die Darmflora-Funktionen vollziehen sich an den Schnittstellen mit den Lebensmitteln, den Bakterien sowie dem Wirt. Und gerade hier sind die Rückwirkungen auf das Immunsystem (über das Epithel oder die im Blut zirkulierenden Immunitätszellen) und ein Zusammenhang mit dem Nervensystem gut vorstellbar. Bei Mäusen wurde beispielsweise festgestellt, dass die Darmflora die Stärke ihrer Angst beeinflussen kann. Auch bei bestimmten, spät ausbrechenden Formen des Autismus wird in der Fachliteratur auf einen Zusammenhang mit der Darmflora hingewiesen.

Die Folgen gehen also über den Verdauungstrakt hinaus. Vor fast zehn Jahren hatten Jeff Gordons Forscherteams einen deutlichen Zusammenhang mit der Fettleibigkeit festgestellt. Andere Studien beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Darmflora auf chronisch-entzündliche Erkrankungen, Diabetes und Allergien, d.h. nicht zwangsläufig auf den Darm gerichtete Krankheiten.

Parallel zu anderen Therapien eröffnen diese Feststellungen neue Wege für die Behandlung. Bei Diabetes beispielsweise haben klinische Versuche Entwicklungen über einige Wochen hinweg gezeigt.

Wie kann man die Darmflora verändern, um diese Krankheiten zu behandeln?

Die Darmflora lässt sich auf verschiedene Weise modulieren: Man kann lebende Bakterien einbringen (z.B. mit Probiotika, Anm. d. Red.) oder aber den Verzehr durch Lebensmittelzusätze wie Präbiotika verändern, die Energiequellen für bestimmte Darmbakterien darstellen.

Man kann die Darmflora auch durch Ernährungsempfehlungen modulieren. Das letzte Mittel bei schweren Erkrankungen ist die Darmflora-Transplantation. Dabei wird die Darmflora eines Spenders bei einem Empfänger inokuliert, dessen Darmflora ersetzt werden soll.

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